19.04.2015

VERSTREUTES: Anleitung zum Glücklichsein

Ich bin eine Jammertante mit abgeschlossener Ausbildung an der österreichischen Seieruni. Der weltbeste Freund erträgt meine Sumperanfälle, die genauso periodisch wiederkehren wie der Wechsel der Jahreszeiten, stets stoisch und mit großem Verständnis. Liege ich dann mit dem Gesicht nach unten zeternd auf der Couch, weil ein Schüler zwieder war, ich mich um die Zukunft sorge oder etwas nicht so recht hinhauen wollte, macht er mir Kakao, streichelt mir den Kopf und ist einfach da. Meistens hilft das in akuten Fällen sehr gut, aber als ich im letzten Sommer während des Schreibens meiner Diplomarbeit in andauerndes Grübeln und chronisches Schwarzsehen abdriftete, machte nicht nur er sich ernsthafte Sorgen.

Auch Simon, der quasi der Al Gore unter meinen Freunden ist und der nicht davor zurückschreckt, mir in allen Lebenslagen immer wieder die (nicht immer angenehme) Wahrheit zu sagen, bemerkte meine schlechte Stimmung. Wochenlang lauschte er geduldig meinem Gejammer, bis er eines Nachmittags genug hatte. Wir saßen gerade bei selbstgemachtem Eistee und Zitronenkuchen am Balkon, es hatte wunderschönes Wetter, ich Ferien, aber dennoch war alles schlecht. Also warf er seine Hände theatralisch in die Luft und sagte energisch: „Nadja, du musst etwas ändern, du bist unerträglich. Morgen bring ich dir ein Buch vorbei, das liest du dann und befolgst die Ratschläge. Verstanden?“ Wer Simon schon einmal mit seinem strengen Lehrerblick gesehen hat, der weiß, dass man ihm in solchen Situationen gehorcht, und zwar augenblicklich, also konnte ich nur ergeben nicken.

Das Buch, das er mir dann vorbeibrachte, war eine Anleitung, wie man glücklich wird. So einfach sollte es sein? Ganz so simpel ist das Ganze natürlich nicht, denn Glücklichsein hat schon auch etwas mit der richtigen Einstellung zu tun. Will ich mich dem Jammern ergeben, dann helfen alle guten Ratschläge aus dem Buch nichts, denn dann ist mir alles egal. Das Elend fühlt sich manchmal aber auch zu gut an. Bin ich in der richtigen Stimmung zum Glücklichsein, ist es einfacher. Da hilft es, wenn es draußen schön ist, ich satt und warm eingepackt bin und etwas mache, das mir Freude macht. Wenn das nicht so ist, dann steckt hinter dem Glücklichsein harte Arbeit und das Bewusstsein für einige fundamentale Wahrheiten.

Gerade jetzt ist wieder so eine Zeit, in der mir das Fröhlich- und Glücklichsein oft sehr schwer fällt. Ich schreibe gerade Unmengen an Bewerbungen – ich mache zwar gerade mein Unterrichtspraktikum an einer wirklich tollen Schule, aber wie es nächstes Jahr weitergeht, weiß niemand. Meine innere Unruhe wird stärker, und so habe ich mir vorgenommen, etwas positiver an die ganze Sache heranzugehen und wieder öfter an das zu denken, was ich letztes Jahr im Sommer  gelernt habe.

Fundamentale Wahrheit 1

Das klingt übel, oder? Kann so etwas von einer Frau mit Selbstbewusstsein kommen, ganz ernsthaft? Wenn man sich aber einmal wirklich zum Nachdenken hinsetzt, dann stellt man aber schnell fest, dass es nicht gerade selten so ist. Wie oft schieben wir unsere Stimmung auf äußere Umstände?  
Die Prüfung verfleckt? Der Professor ist immer fies, da ist es normal, wenn man nicht jede Prüfung schafft. 
Den Job nicht bekommen? Naja, es gab ja eh so viele Bewerber und Bewerberinnen, klar. 
Zu spät? Eh logisch, der Verkehr war schrecklich. 
Dass man mehr lernen, sich aggressiver bewerben oder früher losstarten hätte können, das verdrängt man lieber.

Mit dem Glück ist es ähnlich. Wenn alles gut ist, dann ist die Ursache schnell gefunden – es ist schön draußen, in der Beziehung passt alles, man ist auf Urlaub, erfährt Wertschätzung. Alles schöne Gründe, um gut drauf zu sein, aber was passiert, wenn diese äußeren Umstände fehlen? Wenn alles schrecklich ist, weil es seit Tagen regnet, man allein daheim ist und sich verdammt noch mal niemand um einen kümmert, obwohl man seit Stunden auf sein Handy starrt, zu fertig, um noch ein Lebenszeichen abzusetzen?

Dann hilft eine positive Grundeinstellung. Verflucht noch eins, Regenwetter, Alleinsein und keine Menschen, die sich kümmern sind keine Gründe zum Trübsal blasen. Das sind ganz normale Umstände, die immer wieder eintreten können. Das Problem ist, dass man sie negativ betrachtet.

Also übe ich mich im positiven Denken. Versuche, das Beste aus allen Situationen zu machen. Das Alleinsein zu genießen. Bei Regenwetter mehr zu schreiben oder zu lesen. Nicht zu viel zu grübeln, sondern die Gedanken schweifen zu lassen. Es gelingt nicht immer, aber ich werde besser.

Fundamentale Wahrheit 2

Viel Unglück verursacht man, indem man jemand zu sein versucht, der man nicht ist. Ich will immer ganz anders sein. Ich wär manchmal gern wie meine Kollegin B.: ruhig und besonnen und gar nicht leicht aufzuregen. Oder was ist mit S.? Der ist abenteuerlustig. Oh, und sportlich, zielstrebig und zierlich wie U., so wär ich auch sehr gerne.

Die Realität sieht leider ganz anders aus. Ich bin leicht aufzuregen und zu begeistern, doch ruhig bin ich leider nur, wenn ich mich sehr bemühe. Abenteuerlustig zu sein liegt mir auch nicht, ich mag keine Abenteuer und plane gerne alles von vorne bis hinten durch. Sportlich werde ich wohl so schnell nicht werden, obwohl ich jetzt Rad fahre – und es mir gut tut. Auch an der Zielstrebigkeit im privaten Bereich arbeite ich noch und was zierlich zu sein betrifft, nun ja, den Wunsch sollte ich wohl langsam begraben, das ist ein Wunsch, der wohl nur mit einer Körpertransplantation umsetzbar ist. Aber warum ist man eigentlich so unzufrieden mit dem, was man hat?

Vielleicht sollte man versuchen, sich in andere hineinzuversetzen. Vielleicht wären die ruhigen, besonnenen Menschen in meinem Leben gern ein bisschen impulsiver? Will die zierliche Frau nicht lieber groß sein, so wie ich? Und überhaupt, kann ich mich nicht mit dem zufrieden geben, was ich habe? Immer einem Ideal hinterherhecheln, das man ohnehin nicht erreichen kann, ist doch wirklich nicht schlau.

Also versuche ich in solchen Momenten innezuhalten und nachzudenken. Bin das wirklich ich? Will ich wirklich so sein wie die anderen, weil das gut für mich wäre, oder mache ich mich mit diesem Wunsch nur unglücklich, weil das Ziel unmöglich zu erreichen ist? Wenn man sich erst dieser Mechanismen bewusst ist, ist es viel leichter, ihnen nicht auf den Leim zu gehen.

Fundamentale Wahrheit 3

Es gibt Tage, an denen möchte man am liebsten als Deckenburrito zusammengerollt auf dem Sofa liegen und den ganzen Tag nur Erdnussbutter-Schoko-Eis vom Eisgreissler in sich hineinstopfen. Aber haben nicht auch Deckenburrito-Eisgreissler-Tage etwas Schönes, nämlich besagtes Deckenburrito-Eißgreissler-Dasein?

Puh, das klingt schon sehr nach gestörter New-Age-Scheiße, ich gestehe. Aber die Bemühung, auch an grauen Tagen die Farbe nicht aus dem Blick zu verlieren, ist sicher prinzipiell gut. Ich habe mir zum Beispiel angewöhnt, all die unwichtigen und wichtigen Dinge im Leben zu fotografieren und die Fotos auch ausarbeiten zu lassen. Außerdem führe ich seit geraumer Zeit Bücher, in denen ich all das Schöne, Tolle und Erinnerungswerte des Tages kurz in Stichworten niederschreibe, also schreibe ich eine Art Tagebuch im Telegrammstil, in dem nur Gutes drinsteht. Und ich hab es bis jetzt noch jeden Tag geschafft, etwas Schönes zu notieren.

Und wie macht ihr das? Vertraut ihr darauf, dass euch das Glück zufliegt, oder habt ihr Geheimtechniken, die ihr mir verraten wollt? Ich freue mich über eure Meinung zu diesem Thema!

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